Fotografien Ostberliner Industriebetriebe
Die Bedeutung Berlins als wichtiger Industriestandort gilt zu DDR-Zeiten insbesondere für den Ostteil der geteilten Stadt. In der Hauptstadt der DDR schlägt neben dem politischen auch das industrielle Herz des Arbeiter- und Bauernstaats. Eine Vielzahl von Volkseigenen Betrieben (VEB) verteilt sich über dieses Stadtgebiet - darunter auch über ein Dutzend Großbetriebe mit mehreren tausend Beschäftigten.

SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Porträt der ostdeutschen Industriearbeiterschaft

SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Diese Welt kennt Günter Krawutschke wie kaum ein anderer. Seit 1965 arbeitet er als Bildreporter und Fotograf für den Berliner Verlag. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit sind die Industriebetriebe im Ostteil der Stadt. So ist er oft in Fabriken wie dem Kabelwerk Oberspree (KWO), den Metallhütten- und Halbzeugwerke (BMHW) oder der VEB Elektrokohle Lichtenberg (EKL). Dabei interessieren ihn weniger die Produktionsabläufe oder Wirtschaftszahlen - er ist fasziniert von den Menschen, die hier arbeiten. Neben offiziellen Presseterminen nimmt er sich die Zeit, diese Welt zu studieren und mit seiner Kamera einzufangen.
50 ausgewählte Aufnahmen vermitteln ungeschönte und teils intime Einblicke in diese längst verschwundene Welt: Sie dokumentieren emotionale Momente und starke Charaktere vor dem nüchternen Hintergrund des harten Arbeitsalltags – Aufnahmen, die zu DDR-Zeiten zumeist nicht veröffentlicht werden konnten.

SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall
Krawutschke wird so unbeabsichtigt zum Chronisten einer Wirklichkeit, die schon wenige Jahre später nicht mehr existiert. Der politischen Wende 1989/90 folgt ein radikaler ökonomischer Umbruch. Heute sind in den Werkhallen, in denen er Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Jugendbrigaden fotografiert hat, oftmals Asiamärkte oder Luxuslofts.
30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall: Dieses Jubiläum ist der passende Anlass, um mit Hilfe dieser Fotografien an die tatsächliche Arbeitswirklichkeit in der späten DDR zu erinnern - jenseits aller Propaganda.
Bis zum Bau der Mauer 1961 hatten circa 3,4 Millionen Menschen die DDR Richtung Westen verlassen. Der dadurch hervorgerufene Arbeitskräftemangel war noch bis in die 1980er Jahre zu spüren. Das Regime schloss aus diesem Grund Verträge mit anderen sozialistischen Staaten, um von dort gezielt Arbeitskräfte anzuwerben.
SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Günter Krawutschke erinnert sich: „Den Adam (wie Joseph Klimanel von seinen Kollegen genannt wurde) habe ich gebeten, sich vor die Tafel zu stellen. Ich fand das ganz witzig: er mit Bart und Mütze und der Lenin dahinter – ein Glücksfall.“
SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Anlässlich des Dienstjubiläums einer Kollegin hat sich eine Brigade des VEB Elektrokohle zu einer kleinen Feier versammelt.
SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Ein Arbeiter des VEB Kühlautomat Berlin gestaltet eine Wandzeitung anlässlich des VIII. Parteitags und des 25-jährigen Bestehens der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Drei Männer sitzen sehr entspannt in einer riesigen Werkhalle des Transformatorenwerks Oberschöneweide und spielen eine Runde Karten.
SDTB, Historisches Archiv / Foto: Günter Krawutschke
Der Fotograf
Günter Krawutschke wurde 1940 in Staßfurt, Sachsen-Anhalt, geboren. Nach Oberschule und Armeedienst arbeitete er als Kameraassistent beim Deutschen Fernsehfunk (DFF) in Ostberlin. Zwischen 1965 und 1992 war er als Bildreporter und Fotograf für den Berliner Verlag tätig. Seitdem ist er freiberuflicher Fotograf und Designer.
Parallel zu seiner Berufstätigkeit absolvierte er eine Fotografenlehre und im Anschluss ein Diplomstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Er war Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR.
Neben Industrieportraits widmete er sich vor allem der Architektur im Zentrum Berlins – so dokumentierte er die Spandauer Vorstadt, von 1988 bis 1995 den Wiederaufbau der Neuen Synagoge Berlin in der Oranienburger Straße oder die Entwicklung der Friedrichstraße seit 1990.