Das Fahrrad auf französischen Plakaten um 1900
Frei, unabhängig und modern: Dieses Lebensgefühl versprach das Fahrrad in Frankreich um 1900 und so wurde es dort flächendeckend beworben. Als Werbemittel dienten lithografische Plakate. Diese stellen außergewöhnliche Kunstwerke dar. Sie bieten einzigartige Einblicke in das damalige Verständnis von Technik und Kultur. Vor allem Frauen stehen auf den Plakaten der „Belle Époque“ als Werbebotschafterinnen im Mittelpunkt – und das auf ganz unterschiedliche Weise.
Das Deutsche Technikmuseum zeigt vom 24. April bis 8. Dezember 2024 über 40 großformatige Fahrradplakate aus der eigenen Sammlung. Die Ausstellung „Freiheit auf zwei Rädern. Das Fahrrad auf französischen Plakaten um 1900“ erzählt von einer Zeit, in der das Fahrrad als modernes Verkehrsmittel und das Plakat als neues Werbemedium eine Symbiose eingingen. Dieser Ausbruch von Kreativität fasziniert bis heute. Die Plakate sind ein Spiegel der gesellschaftlichen Ideale und Weltbilder um 1900. Sie zeigen ein zeittypisches Spektrum von Geschlechterrollen, Technik und Kultur.
Zwischen Plakatpest und Fahrradwahn
Um 1890 änderte sich das Stadtbild europäischer Metropolen. Vormals graue Fassaden wurden plötzlich von großformatigen, farbenprächtigen Plakaten eingenommen. Nicht wenige Menschen sahen darin eine Verunstaltung und sprachen von „Plakatpest“. Andere feierten die Wandkunst als Ausdruck einer neuen, modernen Ära.
Zur gleichen Zeit gelang einer weiteren technischen Entwicklung der Durchbruch: dem Fahrrad. Es versprach individuelle Mobilität und beflügelte so den Drang nach Freiheit. Speziell für Frauen war es ein Vehikel der Emanzipation. Dadurch wurde das Zweirad in konservativen Kreisen ähnlich umstritten wie das Plakat. Trotzdem begann es die Welt zu revolutionieren und führte zum „Fahrradwahn“ oder „Bicycle Craze“.
Das Plakat erwies sich dabei als idealer Werbeträger. Bis 1900 wurden für das Fahrrad mehr Plakate produziert als für jedes andere Produkt.
Was ist wichtiger: Atmosphäre oder Technik?
Die Fahrradplakate weisen eine enorme Vielfalt auf. Motive im floralen Jugendstil, mythologische Darstellungen oder idyllische Landschaftsszenerien – es ging um die Atmosphäre, nicht um die Maschine. So ist das Fahrrad als technischer Gegenstand oft nur zum Teil oder ungenau dargestellt. Erst als nach 1910 das Fahrrad eine wesentlich höhere Verbreitung erreichte, ging die Reklame dazu über, technische Merkmale exakt darzustellen.
Die Frau als Plakatmotiv und potenzielle Kundin
Auffällig ist, wie viele Frauen auf den Plakaten abgebildet sind. Frauenfiguren waren in französischen Plakaten der Jahrhundertwende allgegenwärtig – auch in der Fahrradwerbung.
Dabei galt Radfahren um 1900 für Frauen noch als unschicklich: Körperliche Anstrengung und das Tragen praktischer Hosen seien mit weiblicher Anmut unvereinbar.
Mit adretten „Werbedamen“ oder betont weiblich dargestellten mythologischen Figuren sollten Fahrradplakate derartigen Vorurteilen entgegenwirken. Die jugendlich-attraktiven Figuren dienten nicht nur dem männlichen Publikum als Blickfang; weibliche Betrachterinnen sollten sich mit ihnen identifizieren.
Themenschwerpunkt „Fahrrad“
Die Fahrradplakate-Ausstellung in der Großen Galerie ist der Auftakt zu einem Themenschwerpunkt „Fahrrad“ in diesem Jahr: Am 29. November 2024 eröffnet die große Sonderausstellung „Rückenwind. Mehr Stadt fürs Rad!“ im Ausstellungsbereich Ladestraße. Hier dreht sich alles ums Radfahren in der Stadt. Im Mittelpunkt steht der Aufstieg des Fahrrads zum beliebten Verkehrsmittel für alle. Zu sehen sind Meilensteine der jüngeren Fahrradgeschichte: vom frühen Mountainbike und BMX-Rad bis hin zum modernen E-Bike und Lastenrad. Zielgruppe der Ausstellung sind Familien und Schulklassen.
Die Sammlung
Die jetzt im Deutschen Technikmuseum gezeigten historischen Fahrradplakate sind Teil einer Sammlung, die bereits 1980 eingeworben wurde. Diese Sammlung ist heute Teil des Historischen Archivs des Museums.
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