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Künstlerische Performance schafft Raum für neue Perspektiven

17.08.2020

Dekonstruktion kolonialer Geschichte(n) im Deutschen Technikmuseum / Start der Neukonzeption des Ausstellungsmoduls Versklavungshandel

23. August, 11-13 Uhr, im Live-Stream

Pressematerialien

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Pressemitteilung

Dekonstruktion kolonialer Geschichte(n) im Deutschen Technikmuseum / Event im Live-Stream / Start der Neukonzeption des Ausstellungsmoduls Versklavungshandel

23. August, 11-13 Uhr, im Live-Stream

Die bisherige Inszenierung zum brandenburgisch-preußischen Versklavungshandel in der Dauerausstellung Schifffahrt im Deutschen Technikmuseum in Berlin wird am 23. August in einer künstlerischen Performance abgebaut. Damit wird Raum für neue Perspektiven auf das Thema geschaffen. Aufgrund der durch Corona  bedingten Auflagen ist die Performance ausschließlich im Live-Stream auf Youtube zu sehen.

Live-Stream: Sonntag, 23. August, 11-13 Uhr (Kernzeit, danach weiter bis 17 Uhr), unter dem Link
https://youtu.be/4dxmB1tAfQ0

Der transatlantische Versklavungshandel gilt als eine der größten Zwangsmigrationen der Menschheits-geschichte, brachte unvorstellbares Leid über die versklavten Menschen afrikanischer Herkunft und wirkt sich bis heute auf das Leben Schwarzer Menschen aus. Dass auch Deutsche an diesem Menschenhandel beteiligt waren, ist nur wenig bekannt. In der Dauerausstellung Schifffahrt im Deutschen Technikmuseum ist dieser verdrängte Aspekt der brandenburgisch-preußischen Geschichte bereits seit 2003 präsent. Zu sehen sind Modelle von Schiffen, die um 1700 im Auftrag der Kurfürsten von Brandenburg fast 20.000 Menschen von der Westküste Afrikas in die Karibik verschleppten, um sie dort zu verkaufen. Neben den Schiffsmodellen sollte eine künstlerische Ausstellungsinszenierung dazu beitragen, diesen Teil der regionalen Geschichte bekannter und sichtbarer zu machen. Die damals gewählte Darstellungsform wird von Seiten des Deutschen Technikmuseums jedoch nicht länger als angemessen angesehen. Die Inszenierung hat in den Jahren ihres Bestehens zudem Kritik von Aktivistinnen und Aktivisten zivilgesellschaftlicher Vereinigungen erhalten, wie etwa der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. und Berlin Postkolonial e.V. Sie soll nun in einem gemeinsamen Prozess mit zivilgesellschaftlichen Initiativen durch etwas Neues ersetzt werden.

Künstlerische Performance von Monilola Olayemi Ilupeju und Philip Kojo Metz

Nun soll eine erneute Auseinandersetzung mit dem Thema stattfinden – und in einem ersten Schritt die bestehende Inszenierung abgebaut, also dekonstruiert werden. Am 23. August, dem internationalen Tag der Erinnerung an den Versklavungshandel und dessen Abschaffung, wird der Abbau im Rahmen einer Performance der amerikanisch-nigerianischen Künstlerin Monilola Olayemi Ilupeju und des deutsch-ghanaischen Künstlers Philip Kojo Metz begonnen. Die Performance kann Live im Internet verfolgt werden.

Warum die bisherige Inszenierung problematisch ist

Die museal-künstlerische Inszenierung zum brandenburgischen Versklavungshandel besteht aus einem Kubus, der mit rostigen Metallplatten von außen wie ein Frachtcontainer aussieht. Im Inneren befinden sich Regale im Stil eines Warenlagers. Darin sitzen Figuren, die versklavte afrikanische Männer, Frauen und Kinder repräsentieren sollen. Die Idee hinter der Inszenierung war es, die Herabsetzung der Menschen als bloße Ware zu versinnbildlichen. Diese Installation stieß vor allem bei Aktivistinnen und Aktivisten der Schwarzen Community auf Ablehnung. Es wurde kritisiert, dass die Inszenierung eine vereinfachte und unangemessene Darstellung dieses traumatischen Kapitels der Geschichte sei. Schwarze Menschen werden darin auf ihre Körperlichkeit und ihren Opferstatus reduziert gezeigt – passiv und ohne eine eigene, widerständige Geschichte. Nun soll diese wichtige Perspektive bei der Darstellung jener besonderen deutschen kolonialen Geschichte(n) miteinbezogen werden.

Der performative Abbau der Installation ist der Auftakt eines Pilotprojektes, das in Kooperation mit dem Verbundprojekt DEKOLONIALE Erinnerungskultur in der Stadt am Deutschen Technikmuseum durchgeführt wird. Der Abbau des Moduls schafft eine Leerstelle, die im Verlauf des Projektes für eine multiperspektivische Betrachtung der Versklavungsgeschichte genutzt wird. Zusammen mit den Kooperationspartnern und externen Expertinnen und Experten werden Workshops mit Mitarbeitenden des Museums durchgeführt, in denen zukünftige Ausstellungsformate im kolonialen Kontext diskutiert werden.

Der künstlerische Ansatz

Künstlerisch wird das Streaming-Event von Monilola Olayemi Ilupeju und Philip Kojo Metz gestaltet. Die beiden in Berlin lebenden Kunstschaffenden setzen sich in zwei ineinandergreifenden Performance-Teilen mit der Installation auseinander. Monilola Olayemi Ilupeju beschäftigt sich in ihrer Performance „Wayward Dust“ mit dem Staub, der sich über die Zeit in der Installation angesammelt hat. Staub besteht zu einem Großteil aus organischem Material wie Hautschuppen. Sie gehören den Menschen, die das Museum besuchen und darin arbeiten. Er symbolisiert die Zeit, die seit der Eröffnung der Installation verstrichen ist, und die Veränderung, die seither in der Museumsarbeit stattgefunden hat. Im Kontrast dazu stehen die leblosen Figuren aus Styropor, die nicht in diese Entwicklung passen. Sie werden während der Performance den Kubus und die Ausstellung verlassen.

Philip Kojo Metz konzentriert sich auf die Dekonstruktion der Hülle und der vielen Bauteile der Installation. Zusammen mit seinem Team und Mitwirkenden des Museums demonstriert er den Weg zur Leerstelle. Seine Performance SEK (SORRYFORNOTHING EINSATZ KOMMANDO) steht in einer Reihe mit der Intervention, die im vergangenen Jahr als erste Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte in der Berlin-Ausstellung des Humboldt Forums präsentiert wurde. Der gesamte Abbau wird über das Event hinaus filmisch dokumentiert. Die Arbeit steht symbolisch für den Prozess der Dekolonisierung von Museen, der nun startet und dem ein langer Weg bevorsteht.

Ablauf der Veranstaltung und Verbindung zum Umbenennungsfest

Der neue Direktor des Deutschen Technikmuseums, Joachim Breuninger, wird das Streaming-Event um 11 Uhr eröffnen. Die Performance wird im Kern von 11 bis 13 Uhr stattfinden, der Abbau geht danach weiter. Der Live-Stream ist ab 15 Uhr auch am Hausvogteiplatz zu sehen. Dort findet das 7. Umbenennungsfest für die Berliner M-Straße statt. Das Fest wird vom Bündnis DECOLONIZE Berlin organisiert, in dem sich auch die Projektpartner von DEKOLONIALE Erinnerungskultur in der Stadt engagieren. Thematisch sind beide Veran-staltungen über die Jahrhunderte lange Präsenz Schwarzer Menschen in der Region verbunden, die eng mit dem brandenburgischen Versklavungshandel verknüpft ist, und an die nun umfassender und mit neuen Perspektiven erinnert werden soll. Neben Musik und Redebeiträgen gibt es auf dem Umbenennungsfest Paneldiskussionen, an denen auch Monilola Olayemi Ilupeju und Philip Kojo Metz teilnehmen.

Die Veranstaltung und das Projekt „Kolonialgeschichte im Deutschen Technikmuseum – ein neuer Umgang mit dem brandenburgisch-preußischen Versklavungshandel“ werden durchgeführt in Kooperation mit dem Verbundprojekt DEKOLONIALE Erinnerungskultur in der Stadt und werden gefördert durch die Senatsverwal-tung für Kultur und Europa, Projektfonds Zeitgeschichte und Erinnerungskultur.

Das Logo der Berliner Senatverwaltung für Kultur und Europa in rot zeigt den Schriftzug "be Berlin" kombiniert mit einem stilisierten Brandenburger Tor.