Gesichter der Arbeit
Das Deutsche Technikmuseum zeigt vom 6. März 2019 bis zum 30. August 2020 die Fotoausstellung „Gesichter der Arbeit – Fotografien aus Ostberliner Industriebetrieben von Günter Krawutschke, 1971-1986“.
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Pressemitteilung
Gesichter der Arbeit
Fotografien aus Ostberliner Industriebetrieben
Sonderausstellung im Deutschen Technikmuseum
Laufzeit: 13. November 2019 bis 30. August 2020
Bis zum Fall der Mauer 1989 gehörten Fabriken wie das Kabelwerk Oberspree (KWO) oder der VEB Elektrokohle (EKL) in Berlin-Lichtenberg zu den bedeutenden Industriebetrieben im Ostteil der geteilten Stadt. Ungeschönte und teils intime Einblicke in diese längst verschwundene Arbeitswelt vermittelt die Sonderausstellung „Gesichter der Arbeit - Fotografien aus Ostberliner Industriebetrieben von Günter Krawutschke, 1971-1986“, die das Deutsche Technikmuseum in Berlin ab dem 6. März 2019 präsentiert.
Die Schau ist ein passender Beitrag zum Jubiläum „30 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall“ und
Premierenprojekt auf der neuen Ausstellungsfläche für Fotografie und Grafik, der Großen Galerie im Neubau.
Günter Krawutschke arbeitete in der Entstehungszeit der 50 ausgewählten Aufnahmen als Fotograf und Bildreporter für den Berliner Verlag. So hatte er Zugang zu fast allen Industriebetrieben in Ostberlin. Krawutschke nutzte die Aufenthalte in den Werken, um neben den offiziellen Auftragsbildern auch ungestellte Fotos vom Alltag der Werktätigen und ihren Arbeitsbedingungen vor Ort zu machen. Seine Bilder zeigen emotionale Momente und starke Charaktere vor dem nüchternen Hintergrund des harten Arbeitsalltags – Aufnahmen, die zu DDR-Zeiten selten veröffentlicht werden konnten. Krawutschke wurde so unbeabsichtigt zum Chronisten einer Wirklichkeit, die schon wenige Jahre später nicht mehr existierte. Der politischen Wende 1989/90 folgte ein radikaler ökonomischer Umbruch in Ostdeutschland, von dem auch viele Betriebe im Osten Berlins betroffen waren. In den Werkhallen von damals befinden sich heute oft Asiamärkte, Luxuslofts oder Kreativ-Start-ups.
Menschen in Kittelschürze, Blaumann oder Unterhemd
Ostberlin, 1970er Jahre: Krawutschke ist fasziniert von den Menschen, die er in den Betrieben trifft. Er fängt sehr verschiedene Momente ihres Arbeitsalltags ein: die in der Pause Karten spielenden Arbeiter im VEB Transformatorenwerk „Karl Liebknecht“ Oberschöneweide (1979), den Werktätigen Joseph Klimanel in seiner angeschmutzten Arbeitsjacke im VEB Elektrokohle Lichtenberg (EKL) vor der Wandzeitung zum 66. Jahrestag der Oktoberrevolution 1983, eine Näherin in Kittelschürze an ihrer Nähmaschine im VEB Treff-Modelle (1984) oder 1983 die erschöpften Beschäftigen bei ihrer schweren Arbeit in den Metallhütten- und Halbzeugwerken (BMHW). Aber auch Bürosituationen, Betriebsfeiern oder Massenveranstaltungen wie die anlässlich des Besuchs Erich Honeckers und des chilenischen Kommunistenführers Luis Corvalán im VEB Bergmann-Borsig 1977 hält er im Bild fest. So entstand in den letzten beiden Jahrzehnten der DDR ein einzigartiges Dokument der ostdeutschen Industriearbeiterschaft. Das Deutsche Technikmuseum erwarb 2018 einen großen Teil dieses fotografischen Werks. Der Bestand umfasst über 4.000 Negative und viele Originalabzüge. Dazu kommen noch Foto-reportagen diverser Großereignisse im Ostberlin der 1970er und 1980er Jahre sowie die fotografische Dokumentation von Straßen und Bauten im Zentrum Berlins. Damit verfügt das Deutsche Technikmuseum über einen herausragenden Bildfundus zur Industriekultur Berlins, mit dem Stadtgeschichte und Sozialgeschichte künftig prägnant erzählt werden können.
Industrie und Arbeit in Ostberlin vor 1990
Berlin war vor dem Fall der Mauer ein bedeutender Industriestandort. Dies galt insbesondere für den Ostteil der geteilten Stadt. In der Hauptstadt der DDR schlug neben dem politischen auch das industrielle Herz des Arbeiter- und Bauernstaats. Eine Vielzahl von Volkseigenen Betrieben (VEB) verteilte sich über das Stadt-gebiet, darunter auch über ein Dutzend Großbetriebe mit mehreren tausend Beschäftigten. Es dominierte die Elektroindustrie mit Betrieben wie dem Elektroapparatewerk (EAW), dem Kabelwerk Oberspree (KWO), Elektrokohle (EKL) oder Bergmann-Borsig. Daneben gab es Großbetriebe der Metall-, Textil- und chemischen Industrie wie den VEB Treff-Modelle oder die Metallhütten- und Halbzeugwerke (BMHW). Sie alle waren Teil des Systems der sozialistischen Planwirtschaft der DDR und befanden sich als „Volkseigene Betriebe“ unter staatlicher Kontrolle. Über Parteisekretär, Betriebsparteiorganisation und Gewerkschaft bestand zudem eine enge Bindung an die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) als herrschende politische Kraft.
Der Fotograf
Günter Krawutschke wurde 1940 in Staßfurt (Sachsen-Anhalt) geboren. Nach Oberschule und Armeedienst arbeitete er als Kameraassistent beim Deutschen Fernsehfunk (DFF) in Ostberlin. Zwischen 1965 und 1992 war er als Bildreporter und Fotograf für den Berliner Verlag tätig. Seitdem arbeitet er als freiberuflicher Fotograf und Designer. Parallel zu seiner Berufstätigkeit absolvierte er eine Fotografenlehre und im Anschluss ein Diplomstudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Er war Mitglied im Verband Bildender Künstler der DDR. Neben einer Vielzahl journalistischer Veröffentlichungen wurden seine Fotos seit 1982 in rund einem Dutzend Ausstellungen sowie in mehreren Bildbänden gewürdigt. Neben Industrieporträts widmete er sich vor allem der Architektur im Zentrum Berlins – so dokumentierte er die Spandauer Vorstadt, von 1988 bis 1995 den Wiederaufbau der Neuen Synagoge Berlin in der Oranienburger Straße oder die Entwicklung der Friedrichstraße seit 1990.
Günter Krawutschke lebt seit 1979 in Blankenfelde-Mahlow, südlich von Berlin.