Was bedeutet „Objekte aus kolonialem Kontext“?
Objekte aus kolonialem Kontext stammen nicht nur aus den deutschen Kolonien, die es zwischen den 1880er Jahren und 1919 gab. Sie stammen aus der ganzen Welt und aus einem Zeitraum, der sich vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart erstreckt.
Kolonialen Kontexten gemein ist die Vorstellung einer kulturellen Überlegenheit, aus der das Recht abgeleitet wird, andere Menschen zu unterdrücken und auszubeuten.
Wird bei einem Objekt ein kolonialer Kontext festgestellt, muss das Objekt genauer auf eine problematische Herkunft überprüft werden.
Beispiele aus dem Deutschen Technikmuseum
Um einen ersten Überblick zu gewinnen, in welchem Umfang sich Objekte aus kolonialen Kontexten in der Sammlung des Deutschen Technikmuseums befinden, wurde die Objektdatenbank nach verschiedenen Begriffen durchsucht. Dazu gehörten Institutionen und Firmen, wie etwa die Deutsche Ost-Afrika-Linie, übergeordnete Begriffe wie „Kolonie“ oder „kolonial“, geografische Begriffe wie "Deutsch-Südwestafrika" sowie Rohstoffe und Produkte wie Elfenbein oder Kautschuk.
In fast allen Sammlungsbereichen des Museums befinden sich Objekte mit einem möglichen kolonialen Kontext, vom Schienenverkehr über die Schifffahrt bis zur Nachrichtentechnik. Die Bandbreite an Objekten ist groß: von einer Rikscha über Südseepaddel, Harpunen, Fesseln, Opiumwaagen und mehr.
Mit der Überprüfung der einzelnen Objekte ist begonnen worden. Dabei handelt es sich unter anderem um folgende Objekte:
Zeremonienpaddel aus der Dauerausstellung Schifffahrt
Das Museum zeigt in seiner Dauerausstellung Schifffahrt zwei Bootspaddel, die in der Objektdatenbank als „Zeremonienpaddel, undatiert“ verzeichnet sind. Sie wurden 1991 von einem Berliner Sammler und Antiquitätenhändler angekauft. Woher er diese Paddel hat, aus welcher Zeit sie stammen, von wem sie hergestellt wurden, zu welchem Zweck sie dienten – all diese Fragen sind momentan noch ungeklärt.
Chinesische Banknote, Ming-Dynastie, 14. Jahrhundert
Im Archiv des Museums befindet sich eine Banknote, die lange Zeit als „älteste erhaltene gedruckte Banknote der Welt“ in der Ausstellung präsentiert wurde. Die Banknote wurde 1996 als Teil einer großen Sammlung von Geldscheinen von einem privaten Sammler gekauft.
Solche Banknoten aus der Ming-Dynastie befinden sich in verschiedenen Museen und privaten Sammlungen weltweit. Hosea Ballou Morse, bis 1908 Beamter des „Imperial Maritime Custom Service“ in China, berichtet, dass europäische Soldaten im Jahr 1900/01 im Rahmen des sogenannten Boxer-Aufstandes im Pekinger Sommerpalast eine Buddha-Statue umwarfen, in deren Sockel sich Wertgegenstände und ein Bündel dieser Banknoten befanden. Die Soldaten sollen die Geldscheine dann dem amerikanischen Militärarzt Dr. Louis Livingston Seaman übergeben haben. Seaman schenkte nach seiner Aussage unter anderem dem British Museum ein Exemplar.
Zu klären ist, ob die Banknote tatsächlich aus dem 14. Jahrhundert stammt. Ebenso, wie sie in den Besitz des Sammlers kam und welchen Weg sie seit 1900/01 genommen hat. Außerdem muss sie in einen kritischen Kontext mit dem sogenannten Boxer-Krieg, bei dem es zu zahlreichen Plünderungen Pekings kam, gestellt werden.
Musterkoffer mit Kolonialwaren wie Reis, Kakao, Tee und exotischen Gewürzen
Dieser lederbezogene Musterkoffer, hergestellt etwa um 1925, wurde von der Berliner Firma „Skibbe & Zorn, Kolonialwaren-Großhandlung“ verwendet. In 35 Dosen mit Glasdeckeln wurden damit kleine Proben von Reis, Kandiszucker, Kaffee, Kakao, Tee und vielen exotischen Gewürzen vorgezeigt. Die Kolonialwarenläden bestellten jeweils ganze Säcke davon und verkauften sie in Papiertüten an ihre Kunden. Unter welchen Umständen diese Produkte in ihren Herkunftsländern hergestellt wurden, wie die Arbeitsbedingungen der Menschen dort waren und wie sich diese Ausbeutung durch die Kolonialmächte heute noch auswirkt, ist ein Thema, das im Museum behandelt werden wird.