Finger-Rechenapparat, 1920er Jahre
Objekt des Monats August 2021
Die meisten sechsjährigen Kinder sind gerade sehr aufgeregt: Sie kommen in die erste Klasse und können bald schreiben, lesen und rechnen. Welche Methoden am besten geeignet sind, das Schreiben und Rechnen zu erlernen, war bereits vor hundert Jahren Gegenstand hitziger Debatten.
Das Benutzen von Fingern beim Rechnen war damals in der Schule verpönt. Es galt als hemmend für die Entwicklung von abstrakteren Rechenfähigkeiten. Im Alltag war das Fingerrechnen jedoch weit verbreitet und bekam vor dem Hintergrund der reformpädagogischen Ideen der Weimarer Republik weiteren Auftrieb.
Der Volksschullehrer Wilhelm Wlecke aus Gütersloh entwickelte einen Finger-Rechen-Apparat, der in den 1920er Jahren als unterstützendes Lehrmaterial im Mathematikunterricht eingesetzt wurde. Wlecke war davon überzeugt, dass nur das, was „zuvor in den Sinnen war“ von den Schülerinnen und Schülern verstanden wird. Gerade rechenschwache Kinder profitierten seiner Meinung nach vom Fingerrechnen. Mittels seines Apparates sollte die Methode im Unterricht bildlich vorgestellt werden.
Dafür konstruierte er einen Holzkoffer mit roten und weißen Metallfingern, der auf dem Lehrerpult aufgestellt wurde. Durch die einzeln nach vorne klappbaren Finger in unterschiedlichen Farben konnte die Klasse die einzelnen Rechenschritte nachverfolgen und nachahmen.
Auch neuere Studien weisen auf die Vorteile des Fingerrechnens hin: Körperlichkeit und Visualisierung unterstützen das Verstehen der abstrakten Vorgänge. Allerdings wird betont, dass das bloße Fingerabzählen im Laufe der ersten Klasse überwunden werden sollte und die Finger vor allem dazu verwendet werden sollen, um den Kindern eine bessere Mengenvorstellung von Zahlen zu vermitteln.