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Auf der Titelseite eines aufgeschlagenen Buches sind mittig unter der Überschrift „Le fond de la mer“, französisch für „Der Meeresboden“ Abdrücke von zwei Bibliotheksstempeln zu erkennen.

Buch aus Frankreich, geraubt 1940

Objekt des Monats April 2021

Auf der Titelseite eines aufgeschlagenen Buches sind mittig unter der Überschrift „Le fond de la mer“, französisch für „Der Meeresboden“ Abdrücke von zwei Bibliotheksstempeln zu erkennen.
Die Titelseite des Buchs „Le fond de la mer“ trägt zwei Stempelabdrücke. Bibliotheken verwenden Stempel, um ihr Eigentum zu kennzeichnen. Der rote Abdruck mit zwei Hakenkreuzen wurde ab 1936 vom Institut und Museum für Meereskunde in Berlin verwendet. Der blaue Stempel führte das Deutsche Technikmuseum zur ursprünglichen Eigentümerin des Buches, der französischen Mädchenschule in Pontlevoy.
SDTB / C. Kirchner

Das 1920 erschienene Buch „Le fond de la mer (Der Meeresboden)“ des französischen Meereszoologen Louis Joubin beschreibt die Meere, ihre Bewohner und ihre Nutzung. Interessant sind die Stempel auf dem Titelblatt. Sie geben Auskunft über die Geschichte des Buches.

Der rote Stempelabdruck ist der des Instituts und Museums für Meereskunde. Dieses wurde im Jahr 1900 in Berlin gegründet. Darin konnten unter anderem Modellschiffe und Seekarten bestaunt werden, es besaß aber auch eine umfangreiche Forschungsbibliothek. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Museum geschlossen und danach nicht wiedereröffnet. Seine Bestände wurden später auf unterschiedliche Einrichtungen verteilt. Das Deutsche Technikmuseum verwahrt heute einzelne Museumsstücke und den Großteil der Bibliothek, darunter auch dieses Buch.

Der zweite Stempelabdruck gehört jedoch zu einer Mädchenschule in Pontlevoy, einem kleinen Ort in der Nähe von Tours in Frankreich. Wie das Buch von dort an das Institut und Museum für Meereskunde kam, verraten alte Zugangsverzeichnisse. In sie wurde jedes neue Buch eingetragen. Der Band aus Pontlevoy wurde der Bibliothek 1941 von der deutschen Militärverwaltung geschenkt. Tatsächlich war der Ort 1940 von deutschen Truppen besetzt worden. So kann angenommen werden, dass das Buch damals entweder von einem Soldaten gestohlen oder die Schulbibliothek gezielt geplündert wurde.

Die Mädchenschule wurde 1942 geschlossen. Heute befindet sich am selben Ort eine weiterführende Schule. Dank der Zusammenarbeit mit der Kommission für die Entschädigung der Opfer von Enteignungen (CIVS) und der französischen Botschaft in Berlin konnte sie gefunden werden. Eine Rückgabe ist für das Frühjahr 2021 in Pontlevoy geplant.